Im 1. Halbjahr 2022 wurde nach Untersuchungen der internationalen Immobilienberatung Cushman & Wakefield (C&W) auf dem deutschen Investmentmarkt für gewerblich genutzte Immobilien ein Transaktionsvolumen von rund 27,7 Mrd. EUR erzielt. Das Ergebnis liegt 25 Prozent über dem Vorjahreswert von 22,1 Mrd. EUR. Der Zehn-Jahresdurchschnitt der vorangegangen Halbjahre 2012-2021 wurde um 33 Prozent und der Fünf-Jahresdurchschnitt um rund 10 Prozent übertroffen.
Transaktionsvolumen sinkt im Vergleich zum Vorquartal, aber überdurchschnittlich hohes Halbjahresergebnis
Im 2. Quartal blieb das Transaktionsvolumen für gewerblich genutzte Immobilien und Entwicklungsgrundstücke mit 9,4 Mrd. EUR deutlich unter dem Ergebnis des überdurchschnittlich starken 1. Quartals (18,2 Mrd. EUR). Im Zeitraum von Januar bis März 2022 hatte die Übernahme der alstria office REIT-AG durch Brookfield Asset Management für mehr als 4 Mrd. EUR und der Verkauf des Frankfurter Marienturms für über 800 Mio. EUR wesentliche Beiträge zum Investmentvolumen geliefert. Dagegen war die größte Transaktion im Zeitraum April bis Juni 2022 der Anteilsverkauf des Sony Centers in Berlin für rund 700 Mio. EUR an NBIM. Von den anderen Transaktionen im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich kam im 2. Quartal keine über die 250 Millionen-Euro-Schwelle.
Insgesamt ist das 1. Halbjahr 2022 mit einem Gesamtergebnis von rund 27,7 Mrd. EUR das zweitstärkste seit 2012. Portfoliotransaktionen generierten rund 37 Prozent des Investmentvolumens. Einzeltransaktionen trugen mit 17,5 Mrd. EUR und 63 Prozent deutlich mehr als die Hälfte bei.
Ausländisches Kapital so engagiert wie seit 13 Jahren nicht mehr
Internationales Kapital war mit 13,4 Mrd. EUR am Transaktionsvolumen beteiligt und hat damit, absolut betrachtet, mehr in deutsche Immobilien investiert als in irgendeinem 1. Halbjahr der vorangegangenen 13 Jahre. Hoch war das Interesse vor allem an großvolumigen Transaktionen. So stand sowohl beim größten Portfolio-Deal der ersten sechs Monate 2022, der Übernahme der alstria durch Brookfield, als auch bei den beiden größten Einzeltransaktionen, Marienturm und Sony Center, ausländisches Kapital auf der Käuferseite. Relativ betrachtet, verteilten sich die Investitionen heimischer (52 Prozent) und internationaler Käufer (48 Prozent) fast hälftig.
Bürosegment führt – Logistik- und Industriesegement folgt mit Abstand
Büroimmobilien blieben die am meisten nachgefragte Asset-Klasse bei Investoren. Sie verzeichneten im 1. Halbjahr ein Transaktionsvolumen von circa 12,2 Mrd. EUR und einen Marktanteil von 44 Prozent. Objekte in gut angebundenen Standorten in integrierten Stadtteillagen, die Erfüllung von ESG-Kriterien, ein guter Vermietungsstand und lange Mietvertragslaufzeiten stehen im Fokus der Nachfrage. Angesichts der steigenden nutzerseitigen Forderungen nach ESG-Konformität sorgt die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage darüber hinaus für Interesse von Projektentwicklern und Value-Add-Investoren an geeigneten Objekten.
Auf dem zweiten Platz rangieren wie im 1. Halbjahr 2021 Logistik- und Industrieobjekte mit einem Volumen von etwa 5,9 Mrd. EUR. Der hohe Marktanteil von 21 Prozent wurde bisher nur noch im Vergleichszeitraum 2017 erreicht. Absolut handelt es ich bei dem aktuellen Volumen um den höchsten Wert, der bisher in einem 1. Halbjahr erreicht wurde. Hierzu haben insbesondere Portfolioverkäufe beigetragen. So übernahm die niederländische CTP die Deutsche Industrie REIT, Prologis kaufte ein Paket aus dem Ergo Trust Logistikfonds und die DIC übernahm mit ihrem Anteilserwerb an der VIB Vermögen auch zahlreiche Logistikanlangen.
Der Anteil der Handelsimmobilien am Transaktionsvolumen lag bei knapp 13 Prozent, was einem Umsatz von fast 3,5 Mrd. EUR entspricht. Im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr stieg das Volumen um 65 Prozent beziehungsweise um fast 1,4 Mrd. EUR an. Im Investoreninteresse stehen weiterhin vor allem Fachmarktzentren mit Nahversorgern und Lebensmittelanbietern als Ankermieter sowie Supermärkte und Lebensmitteldiskonter, letztere bevorzugt als Portfoliokäufe. Zu den größeren Einzeltransaktionen zählen der Verkauf eines ehemaligen Kaufhofs in Hamburg an Tishman Speyer und der Verkauf der Gera Arcaden an Redos.
Der Anteil von Hoteltransaktionen am Marktgeschehen betrug 2,2 Prozent. Gegenüber dem Vorjahr gab das Investitionsvolumen um rund 37 Prozent auf 605 Mio. EUR nach.
Die 5,5 Mrd. EUR, die auf Transaktionen außerhalb der vier klassischen Hauptnutzungsarten entfallen, wurden vor allem durch Verkäufe von mischgenutzten Objekten und Entwicklungsgrundstücken generiert. Diese beiden Asset-Klassen vereinen einen Marktanteil von 15 Prozent am Gesamttransaktionsvolumen. Zu den verkauften Mischobjekten zählen das Sony Center aus dem 2. Quartal und die Galeries Lafayette aus dem 1. Quartal.
Berlin umsatzstärkster Top-7-Markt
In den Top-7-Märkten wurden im 1. Halbjahr 2022 rund 16,7 Mrd. EUR investiert, was einem Anteil von 53 Prozent am Gesamtmarktransaktionsvolumen entspricht. Gegenüber dem Vorjahr konnte das Ergebnis um 15 Prozent gesteigert werden.
Berlin führt das Ranking mit einem Volumen von fast 3,8 Mrd. EUR an. Es folgen Frankfurt mit 3,4 Mrd. EUR, Hamburg mit 2,3 Mrd. EUR, Düsseldorf mit knapp 2 Mrd. EUR und München mit 1,6 Mrd. EUR. Köln überschritt knapp die Marke von einer Mrd. EUR, Stuttgart blieb mit 0,7 Mrd. EUR darunter. Nur Berlin und München verfehlten mit ihren Umsätzen die Vorjahreswerte.
Herausforderndes Finanzierungsumfeld – Trendwende bei den Renditen
Die zurückliegenden Monate sind von steigenden Kapitalkosten und einer veränderten Finanzierungslandschaft geprägt. Alexander Kropf, Head of Capital Markets bei Cushman & Wakefield in Deutschland, hierzu: „Die Zinsentwicklung nach oben ist noch nicht abgeschlossen und es bleibt ungewiss, auf welchem Niveau sich ein verlässliches Finanzierungsband bilden wird. In Folge gestaltet sich die Preisfindung zwischen Verkäufer und Käufer zunehmend schwierig. Die Verhandlungen dauern länger, werden teils gestoppt, weil Marktteilnehmer die weitere Zinsentwicklung abwarten. Zudem sorgen sich Investoren, ob es in Deutschland zu einer Energiekrise mit negativen Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung kommt. Klar ist, dass die Phase sinkender Renditen definitiv abgeschlossen und die Trendumkehr eingeleitet ist. Wo die Renditen damit letztendlich hingehen, lässt sich aktuell kaum abschätzen.“
Den Mittelwert der Spitzenrenditen für Büroobjekte in den Top-7-Märkten sieht Cushman & Wakefield aktuell bei 2,99 Prozent und damit 25 Basispunkte höher als vor drei Monaten. Gegenüber dem Vorjahreszeitpunkt sind die Renditen um 15 Basispunkte gestiegen. München ist unverändert der teuerste Markt (2,75 Prozent), gefolgt von Berlin und Frankfurt mit jeweils 2,85 Prozent. Stuttgart bildet mit 3,35 Prozent den preiswertesten Markt.
Bei Logistikimmobilien liegen die Spitzenrenditen in den Top-7 im Mittel bei 3,11 Prozent, was zwar einem Anstieg um 10 Basispunkte im 3-Monats-Vergleich entspricht, doch einem Rückgang um 20 Basispunkte im Jahresvergleich. Der Durchschnitt für Geschäftshäuser liegt in den Top-7-Standorten bei 3,46 Prozent und damit 22 Basispunkte unter dem Wert zum Vorjahreszeitpunkt. Teuerster Markt ist auch hier München mit 3,00 Prozent, gefolgt von Berlin mit 3,40 Prozent.
Marktgeschehen wird im Herbst an Dynamik gewinnen
Unverändert verfügen Investoren über hohe Liquidität und den Druck, das Kapital sicher und gewinnbringend anzulegen. Die hohe Inflation manifestiert zudem die Attraktivität von Sachwerten wie Immobilien. Sobald mehr Transparenz darüber herrscht, wohin sich Zinsen und Gesamtwirtschaft entwickeln, werden Verkaufsprozesse wieder an Dynamik gewinnen, nicht zuletzt unterstützt durch die positive Entwicklung auf den Vermietungsmärkten, insbesondere im Büro- und Logistiksegment.