Das Geschehen am deutschen Investmentmarkt bleibt insgesamt verhalten und wird weiterhin von hohen Fremdfinanzierungszinsen sowie einer schwächelnden Konjunktur überschattet. Institutionelle Investoren agieren zurückhaltend. Vor diesem Hintergrund stellt Simon Jeschioro, Head of Capital Markets & Investment Advisory bei Cushman & Wakefield Germany nachfolgende Prognosen für die weitere Entwicklung der Immobilieninvestmentmärkte auf:
Prognose I: Sinkende Leitzinsen als Impulsgeber für den Investmentmarkt
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat aufgrund der gesunkenen Inflation die Leitzinsen gesenkt. Obwohl diese Maßnahme so erwartet worden war, sorgt sie für eine beginnende Entspannung der Finanzmärkte und im Immobiliensektor. Zudem erleichtert die Zinssenkung die Preisfindung und Kaufentscheidungen am Immobilienmarkt, was zu einer Stabilisierung der Renditen führt. So gab es zwar bei den Hauptnutzungsarten Einzelhandel und Logistik erstmals seit dem 2. Quartal 2022 keinen weiteren Renditeanstieg. Bei Büroimmobilien setzte er sich mit einem Plus von 13 Basispunkten im 2. Quartal leicht fort. Aber bis Jahresende rechnen wir auch hier mit einer Stabilisierung.
Der Spread zwischen den Bürospitzenrenditen der Top-7-Märkte und der 10-jährigen deutschen Staatsanleihen erhöhte sich von 136 Basispunkten im 4. Quartal 2022 auf rund 240 Basispunkte zum Ende des 2. Quartal 2024. Diese Entwicklung steigert die Attraktivität von Immobilieninvestitionen im Vergleich zu anderen Anlageklassen. Cushman & Wakefield erwartet daher eine zunehmende Dynamik auf dem Transaktionsmarkt.
Prognose II: Deutschland bleibt ein zentrales Investitionsziel in der EMEA-Region
Deutschland bleibt ein bedeutendes Investitionsziel in der EMEA-Region. Zwar hat es seine führende Position als größter Investitionsstandort in Europa an das Vereinigte Königreich verloren, wird aber weiterhin als sicherer Investitionsstandort wahrgenommen. So ist der Investitionsanteil ausländischen Kapitals in deutsche Immobilien deutlich gestiegen. Lag er am Ende des 1. Halbjahres 2023 noch bei 29 Prozent, sind es ein Jahr später bereits 37 Prozent.
Mehrere großvolumige Einzeltransaktionen im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich haben dem Investmentmarkt in diesem Jahr bereits einen deutlichen Umsatzzuwachs beschert. Nach 5,61 Mrd. Euro im 1. Quartal wurden bis Ende Juni in diesem Jahr gewerbliche Immobilien für 11,16 Mrd. Euro gehandelt, was einem ein Plus von 22 Prozent verglichen mit dem Vorjahresraum entspricht.
Dieser Trend zu mehr Transaktionen wird sich im Zuge der Marktstabilisierung verfestigen. Einer der Gründe: Zahlreiche international agierende Fonds verfügen über Mittel bzw. Kapitalzusagen. Sobald sich das Finanzierungumfeld aufhellt und sich der Nebel bezüglich der Preisfindung weiter gelichtet hat, werden sie investieren, einen Großteil davon in Objekte in Deutschland. Insbesondere Büroimmobilien könnten dann ins Visier rücken. Denn anders als in den anderen Märkten der EMEA-Region ist hier der Peak bei den Spitzenrenditen noch nicht erreicht. Das dürfte Opportunistische und Value-Add-Investoren auf den Plan rufen. Bei dieser in Entwicklung ist zu beachten, dass die Spitzenrenditen im Vergleich zu anderen europäischen Märkten hierzulande tiefer lagen als in anderen Märkten und der Anpassungsprozess entsprechend mehr Zeit in Anspruch nimmt.
Prognose III: Keine Dominanz einer Assetklasse, aber dominierende Marktakteure
Während es in den zurückliegenden Quartalen eine deutliche Verschiebung des Investoreninteresses weg von Büro- und hin zu Logistikimmobilien gegeben hatte, wird für die kommenden Monate eine ausgewogene Verteilung des investierten Kapitals erwartet. Zwar haben Logistik- und Industrieimmobilien in der ersten Jahreshälfte mit insgesamt 2,59 Mrd. Euro respektive 23 Umsatzanteil das höchste Transaktionsvolumen auf sich vereint. Aber bei 22 Prozent Umsatzanteil für Einzelhandels- und 21 Prozent für Büroimmobilien kann man nicht von der Dominanz einer Assetklasse sprechen.
Allerdings stellt sich bei Letzteren nach wie vor der Frage, inwieweit es zu einer höheren Auslastung der vorhandenen Fläche mit Blick auf Homeoffice und mobiles Arbeiten geben wird. „Ich persönlich gehe davon aus, dass der Anteil der Präsenz und damit der Bedarf an Büroarbeitsplätzen weiter zunehmen wird, aber nicht mehr das Vor-Pandemie erreichen wird. Damit dürfte das Interesse an dieser Assetklasse wieder zunehmen und vermehrt Value-Add- und opportunistisch agierende Marktteilnehmer auf den Plan rufen“, so Simon Jeschioro.
Bei den handelnden Akteuren rechne ich damit, dass man Investment- und Asset-Manager sowie Private Equity Investoren sehr aktiv auf der Käuferseite sehen wird. Ihnen liegen teilweise hohe Kapitalzusagen, insbesondere für die Sektoren ‚Wohnen‘ und ‚Logistik‘ vor. Da die Kapitalkosten signifikant gestiegen sind, benötigen wiederum einige Investoren das investierte Geld für andere Vorhaben und suchen den Exit. In einigen Fällen muss auch verkauft werden, wenn ein Investor nur bestimmte Immobilienquoten im Portfolio halten darf oder Liquiditätsengpässe bestehen
Ähnlich ambivalent dürfte die Rolle der Projektentwickler sein. Während einige traditionell ihre Projekte und/oder Fertigstellungen verkaufen, um Liquidität für neue Projekte zu generieren, sind andere wegen Kapitalengpässen dazu gezwungen. Gleichzeitig stehen sie bei Grundstücken oder zur Entwicklung vorgesehenen Immobilien auf der Käuferseite.